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Unsichtbare Last: Armut an der KZO

Das Gymnasium ist bloss eine Schule für Reiche? Obwohl die Mehrheit aller Schüler*innen aus einem Elternhaus mit überdurchschnittlichem Einkommen stammt, gibt es durchaus auch andere Fälle.

7. Juli 2025

Auch an der KZO ist das Thema Armut präsent. Häufig zeigt sich das bei scheinbar kleinen Geldbeträgen im Schulalltag, die für manche Familien eine Herausforderung darstellen. So gibt es jedes Jahr Schüler*innen, deren Familien es an finanziellen Mitteln für Schulmaterial oder Schulausflüge mangelt. An wen können sie sich an der KZO deswegen wenden? Um mehr über solche Prozesse zu erfahren, haben wir Franziska Meister, die Verantwortliche für den «Lämpefonds», befragt. Ausserdem haben wir direkte Auskunft von einer von Armut betroffenen Schülerin bekommen.

Die Situation an der KZO: Armut als unsichtbares Problem

An der Kantonsschule Zürcher Oberland ist Armut ein Thema, das nicht direkt ins Auge fällt. Nach soziologischen Studien hängt der Bildungsweg eine*r Schüler*in in der Schweiz nämlich stark vom Einkommen der Eltern ab: Aus Familien mit weniger als 50 Prozent des Durchschnittslohnes absolvieren bloss 15 Prozent der Kinder das Gymnasium. Folglich sind Schüler*innen aus einkommensschwächeren Familien an der KZO deutlich in der Minderheit. 

Somit sind sich viele vielleicht nicht bewusst, dass nicht nur grössere Klassenreisen für einige Familien eine finanzielle Herausforderung darstellen, sondern auch Anschaffungen wie Schulbücher oder Laptops. Oft müssen Kinder aus solchen Familien im Alltag, etwa bei Mensabesuchen oder Ausflügen mit Kolleg*innen, Abstriche machen. Obwohl das Thema Armut im schulischen Umfeld oft tabuisiert wird, ist es für einige Schüler*innen eine Realität, die ihr Leben und ihr Selbstverständnis prägt. Gerade in einem Umfeld, in dem viele Schüler*innen aus einkommensstarken Familien stammen, fällt es Betroffenen oft schwer, offen über finanzielle Sorgen zu sprechen und um Unterstützung zu bitten. 

Der «Lämpefonds»: Eine Unterstützungsstruktur der KZO

Um Schüler*innen, die von finanziellen Engpässen betroffen sind, gezielt Unterstützung zu bieten, wurde der sogenannte «Lämpefonds» ins Leben gerufen. Der «Lämpefonds» agiert als privater Verein innerhalb der Schule und wird hauptsächlich durch jährliche Beiträge von Lehrpersonen getragen. Dabei arbeitet ein kleines Team, bestehend aus Franziska Meister, Sabina Zimmermann und Carmen Sutter, eng zusammen, um Anfragen schnell und unkompliziert zu bearbeiten. Dabei konzentriert sich der «Lämpefonds» auf kleinere, kurzfristige Unterstützungsbeiträge.

Schüler*innen oder deren Eltern können sich direkt an Frau Meister oder Frau Zimmermann wenden, um eine finanzielle Entlastung zu beantragen. Der Ablauf ist bewusst einfach gehalten, sodass bei kleineren Beträgen die finanzielle Lage der Eltern nicht im Detail dargelegt werden muss. Wird eine grössere Summe benötigt, wie etwa für teure Klassenreisen oder Laptops, kann zusätzlich die Häusermann-Courvoisier-Stiftung zur Unterstützung herangezogen werden, die speziell für KZO-Schüler*innen eingerichtet wurde.

Dieser unbürokratische Zugang zur Unterstützung soll Hemmschwellen senken, und auch die Anonymität der Antragsteller wird weitgehend gewahrt. So ist es möglich, dass Schüler*innen selbständig Hilfe beantragen, ohne dass die Eltern involviert werden müssen, solange es sich um kleinere Beträge handelt. In Notfällen wird der Betrag zügig und direkt an die betroffene Person oder deren Eltern überwiesen, was den Schüler*innen ermöglichen sollte, dass finanzielle Überlegungen im Schulalltag nicht überhand nehmen.

Erfahrungen aus erster Hand – wenn das Schulgeld zur Herausforderung wird

Für die meisten Schüler*innen der KZO ist Armut etwas Abstraktes, das wenig mit ihrer Lebensrealität zu tun hat. Für Nora Gruber (Name geändert) ist es allerdings anders. Ihre alleinerziehende Mutter hat monatlich mit finanziellen Engpässen zu kämpfen. «Am Ende des Monats sind wir immer bei null», berichtet sie offen über die ständige Herausforderung, die ihr Alltag mit sich bringt. Besonders sichtbar wird dies, wenn grössere Beträge anstehen, wie bei der Anschaffung eines Laptops für die Schule oder der Teilnahme an Schulveranstaltungen.

«Als es um den Laptop ging, hat meine Mutter sich an Frau Meister gewandt, und ein grosser Teil der Kosten wurde übernommen», erzählt Nora. Es sei eine Erleichterung gewesen, zu wissen, dass sie auf diese Weise Unterstützung erhalten könne.

Dennoch bleibt das Gefühl, finanziell eingeschränkt zu sein, präsent – insbesondere im Schulalltag. «Die Mensa ist teuer, und ich nehme mir immer etwas von zu Hause mit», erzählt sie. Obwohl sie diese Situationen inzwischen gewohnt ist, bleibt ein Gefühl des Andersseins: «Meine Mitschüler*innen meinen es nicht böse, wenn sie auch von meinem Essen etwas wollen, aber ich habe halt nicht mehr und kann auch nicht mehr kaufen.»

Zu Beginn ihrer Schulzeit habe sie ihren Kolleg*innen noch nichts erzählt von ihrer finanziellen Situation. «Irgendwann kam es aber zu einem Punkt, an dem ich es ansprach, und wenn ich nun sage, es geht nicht, akzeptieren sie es direkt.» Die Offenheit habe ihr geholfen, in ihrem Umfeld Verständnis für ihre Lage zu schaffen.

Trotz der Herausforderungen ist Nora dankbar für die Unterstützung der KZO. «Ich finde es wichtig, dass Schüler*innen wissen, dass es okay ist, sich finanzielle Unterstützung zu holen», betont sie. Sie möchte anderen Mut machen, den Schritt zu wagen und das Angebot des «Lämpefonds» oder anderer Unterstützungsfonds der Schule zu nutzen. «Man sollte sich nicht dafür schämen, es sind einfach Leute, die Hilfe brauchen», fasst sie ihre Einstellung zusammen.

 

Die Sicht der Verantwortlichen: Ein Balanceakt zwischen Hilfe und Diskretion

Frau Meister, die als eine der Hauptverantwortlichen des «Lämpefonds» die Situation von betroffenen Schüler*innen gut kennt, sieht das Thema Armut an der KZO differenziert. Für sie ist es besonders wichtig, dass die Unterstützung möglichst niederschwellig bleibt: «Im Normalfall reicht es beim «Lämpefonds» schon aus, wenn man sich meldet und rasch die Situation beschreibt.» Es soll für Betroffene einfach sein, Hilfe zu erhalten, ohne sich dabei «gross ausziehen» zu müssen. Gerade bei kleineren Beträgen ist der Prozess bewusst unkompliziert gehalten.

Ein Problem, das Frau Meister jedoch kritisch sieht, ist die allgemeine Situation, dass Lehrpersonen – anstatt staatlicher Stellen – die finanzielle Hilfe bereitstellen. «Eigentlich ist der «Lämpefonds» ein privater Verein, dessen Geschäfte wir nicht während der Schulzeit betreiben dürften.» Sie betont die Herausforderung, dass Schüler*innen, die eigentlich Anspruch auf staatliche Unterstützung hätten, oft auf die Hilfe des Fonds angewiesen sind, weil sich der Prozess über staatliche Stellen zu langwierig gestaltet.

Unterstützung mit Herausforderungen

Armut ist ein oft unsichtbares Thema an der Kantonsschule Zürcher Oberland. Der «Lämpefonds» zeigt, dass es an der KZO eine Struktur gibt, die unkomplizierte und schnelle finanzielle Hilfe leistet, wenn sie im Schulalltag benötigt wird.

Nora beschreibt die Unterstützung als wichtigen Anker: «Wenn man will, sich anstrengt und viel herumfragt, bekommt man Hilfe, wenn man sie braucht.» Dieser Prozess erfordert Mut und Eigeninitiative, doch er bietet den Betroffenen die Möglichkeit, auf Augenhöhe mit den Mitschülerinnen am Schulleben teilzunehmen.

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass das Bewusstsein für diese Thematik weiter wächst und dass Schüler*innen, die Unterstützung benötigen, sich nicht scheuen, sie in Anspruch zu nehmen. Denn Armut ist kein individuelles Versagen, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung, die nur mit Solidarität und dem nötigen Verständnis im Schulalltag angegangen werden kann.