Die schönsten Erinnerungen an Lehrer*innen
Denkst du gerne an deine Gymi-Zeit zurück? An welche Lehrer*innen erinnerst du dich und weshalb? Wir haben Ehemalige nach ihren schönsten Erinnerungen gefragt und einmal mehr festgestellt: Lehrer*innen können die Schulzeit – und manchmal sogar eine ganze Biographie – nachhaltig prägen.
20. Januar 2021
Jeder kennt sie: den strengen Französischlehrer, die humorvolle Spanischlehrerin, den ernsten Mathematiklehrer – wobei Fach und Geschlecht beliebig austauschbar sind. Die Rede ist von Lehrer*innen, an die wir uns lebhaft erinnern, als sei es erst gestern gewesen. Aus welchen Gründen auch immer. Wir fokussieren auf das Positive und haben uns bei ehemaligen Gymi-Schüler*innen umgehört, wieso ihnen bestimmte Lehrer*innen auch heute noch ein Lächeln entlocken, wenn sie an sie zurückdenken.
Andrea Weber, Deutschlehrerin am MNG Rämibühl
Ich war eine Leseratte, was dazu führte, dass ich «1984» schon auf Deutsch gelesen hatte, als der Englischlehrer, Herr Stähli, es mit uns im Unterricht lesen wollte. Er schlug als Alternative «Brave New World» vor. Hatte ich aber auch schon durch. Also durfte ich dann selbstständig «Clockwork Orange» lesen und musste einen Vortrag darüber machen.
Er meinte, dass es nichts für zarte Gemüter sei, aber dass ich das schon vertragen würde. Und so war es. Ich fand das toll, dass er mir das zutraute, und fühlte mich ernst genommen und erwachsen. Es ist ja dann auch ziemlich brutal.
Nicht vergessen habe ich auch die Episode, als ich ihn fragte, was ein «Creep» ist, ich hörte den Song von Radiohead gerade rauf und runter. Ich weiss nicht mehr, wie er es mir erklärt hatte, wir kamen aber darauf, dass es weniger stark als «Wich***» tönt. Inzwischen lese ich immer noch gerne, unterrichte aber das Fach Deutsch.
Daniel Bremer, Deutsch- und Philosophielehrer am Liceo Artistico
Unter den vielen schillernden Figuren, von deren Unterricht ich profitieren konnte, war Heiner Hasler, der Geschichtslehrer. Eines seiner Markenzeichen war die sakrale Stille, die jeweils eintrat, wenn er zu dozieren begann. Er hatte nie Blickkontakt zu den Schülerinnen und Schülern, sondern er – ganz der Typ «Tiger» – tigerte quer vor der Tafel hin und her und sprach nicht nur zu uns, sondern zu unzähligen Zuhörern im Universum, die gerade mithörten. Keiner durfte ihn dabei stören, Fragen waren zwar erlaubt, aber nur geduldet, wenn sie thematisch gerade passten.
So fern er im Unterricht abdriftete in seine historischen Narrative, so umgänglich und offen war er dagegen, wenn man ihn zufällig privat traf. So geschehen im Laden für Mittelalterliteratur an der Spiegelgasse in Zürich, wo ich mit zwei Kommilitonen weilte, als er unsere Begeisterung für die Bücher dieses Zeitalters feststellte und mir schwärmend und begeistert das Buch von Denis de Rougemont, «Die Liebe und das Abendland» spontan schenkte. Das Buch hatte ich damals verschlungen und heute noch bezeugen zahlreiche rot unterstrichene Sätze darin die Intensität der damaligen Lektüre.
Bei ihm durfte ich auch so eine Art Proto-Maturitätsarbeit schreiben, zwanzig Seiten plus Vortrag zum Thema «Der Einfluss der aristotelischen Prädikatenlogik auf das Hochmittelalter», ein Thema, das erst Jahre später im Philosophiestudium wieder an Bedeutung gewinnen würde. Sein typisches Nachfragen «Interessiert Sie das?», ist mir heute noch im Ohr, bejahte man diese Frage, war er gleich mit Literaturempfehlungen und Material bereit – eine Tugend, die ich heute selber pflege und manches eigene Buch schon auf eine Reise auf Nimmerwiedersehen verlieh, wenn eine interessierte Schülerin oder ein Schüler oder sonst eines der vielen möglichen Zwischenwesen mich danach gefragt hat.
Mehr Positivität geht nicht
Unter den unzähligen kauzigen, sonderbaren und merkwürdigen Lehrpersonen, an die ich mich erinnern kann, fallen – quasi als leuchtende Gegenmeteore am didaktischen Firmament jene Lehrpersonen auf, die einen unerschütterlichen Optimismus ausstrahlten und lebten.
Darunter war einerseits unser Lateinlehrer, Herr Geering. Ich hatte das grosse Glück, als Jahrgangsbester die Matura abzuschliessen und hatte niemals irgendwelche Probleme beim Lateinlernen. Gleich in der ersten Lateinstunde prägte er uns den Satz ein: «Seien Sie ein Pedant Ihrer selbst! ». In der Tat: Wer nicht genau hinschaute, kassierte schlechte Noten am Laufmeter, seine Korrekturkommentare waren für Schüler, die aus ihren Fehlern lernen wollte, orakelhaft. Er schrieb zum Beispiel am Rand hin «Nicht so, anders!» – ohne aber je jemandem zu verraten, was denn die Lösung gewesen wäre. Oder er verwechselte manchmal Prüfungen und setzte uns eine Klausur einer anderen Klasse vor, deren Fragen wir kaum verstanden und trotz Kritik improvisieren mussten. Die Kritik liess er dann jeweils abprallen wie von einer Tenniswand: «Wissen Sie, ich weiss, dass ich gut unterrichte. Da können Sie einwenden, was Sie wollen!», und lächelte dazu. Dies kam nicht überall gut an, manch einer verlor über die Jahre komplett den Anschluss in Latein.
Noch krasser aber war eine Dame, die uns Englisch unterrichtete. Ihr Optimismus war wohl genetisch bedingt, Frau Bertele – ihres Alters drei Jahre vor der Pension – lächelte das Lächeln einer prominenten Dame auf einem Laufsteg. Und zwar immer. Schon ihre Begrüssung glättete alle irgendwie vorhandenen negativen Stimmungen unmittelbar. Auf Kritik hin lächelte sie stets und konterte geschickt. Ihr Lächeln war keine inszenierte und kontrollierte Mimik des Geistes, wie wir sie sonst finden, nein: Ihr Lächeln war echt. Und sie verliess am Ende immer ihre Lektionen, indem sie lächelnd hinaustippelte. Sie war die Fleisch gewordene Antipodin des düsteren Schwarzsehers und Pessimisten E. M. Cioran. Mehr Positivität geht nicht – und macht mich noch in heutiger Erinnerung sprachlos. Mit ihr gemeinsam teile ich den Optimismus bis heute. Damals schon brachte ich verstimmte Zeitgenossen mit dem notorisch wiederholten Satz «Du schaffst es!» in zuversichtliche Stimmungslagen.
Karin Keller, selbstständige Texterin
Ich denke gerne an meine Gymi-Zeit zurück und viele Lehrpersonen haben mich geprägt – die einen positiv, die anderen negativ. An meinen Mathe-Lehrer sowie an meine Französisch- und Klassenlehrerin erinnere ich mich am besten. Sie war eine leicht weltfremde Person, aber eine überaus engagierte Lehrerin. Sie hat uns Werte wie Respekt und Disziplin vorgelebt und uns immer ermutigt, selber zu denken. Meinen Mathe-Lehrer sehe ich immer wieder mal per Zufall und dann plaudern wir ausgiebig. Auch er war sehr engagiert und menschlich und hat immer an uns geglaubt – auch wenn die meisten von uns null Ahnung von Zahlen hatten.
Beeindruckt haben mich generell Lehrpersonen, die mit Engagement und echtem Interesse am Fach und an uns Jugendlichen unterrichtet haben. Geprägt haben mich aber auch jene, die uns einfach auswendig lernen liessen: Noch heute nervt es mich, wenn Dinge einfach heruntergebetet und nicht hinterfragt werden.
Marion Brändle, Deutschlehrerin an der Kantonsschule Zürcher Oberland
Ich liebe es, zur Schule zu gehen und das, seit ich zur Schule gehen darf. Wahrscheinlich könnte ich darum von allen Lehrpersonen aus meiner Mittelschulzeit Geschichten erzählen: vom Geografielehrer, der später angeblich eine Bank überfiel, dem Geschichtslehrer, der in jeder Lektion eine One-Man-Show bot, inklusive theatralischer Einlagen, dem Physiklehrer, dessen Textaufgaben meiner Ansicht nach so haarsträubend waren, dass ich nicht mehr rechnen konnte, usw. Ein prägendes Ereignis war sicherlich eine Präsentation im Fach Englisch zu Shakespeares «Romeo und Julia» im letzten Semester meiner Kantizeit. Die Rückmeldung zum Vortrag gab den Ausschlag, dass ich nicht, wie immer geplant, Romanistik und Germanistik, sondern eben Anglistik und Germanistik studierte.
Diesen Entscheid bereute ich nie, obwohl ich noch heute gerne Romanistik studieren würde. Trotz dieses Schwenkers in letzter Sekunde bezüglich Studienwahl sind es Roman Looser und Catherine Viaux, die mir besonders in Erinnerung bleiben.
Legendäre Klassen-Partys
Roman Looser, mein Deutschlehrer an der ISME in St. Gallen hat mich stets darin bestärkt, Germanistik zu studieren. Meine Liebe fürs Fach zeigte ich allerdings vor allem, indem ich mich mit ihm anlegte: von Benotung über die Notwendigkeit, Dramenbesuche im Stadttheater «totzureden» bis zu Sinn und Unsinn von gewissen Deutschlektüren. Er liess sich auf jedes Argument ein. Highlights waren sicher die unzähligen Besuche im Stadttheater: Ballett, Oper, Drama, alles war im Angebot.
Im Anschluss ging’s immer in den Splügen zum Fachsimpeln oder eben einfach Biertrinken. Seine Liebe zu Georg Büchner und der Linguistik habe ich allerdings diskussionslos übernommen. So entstand meine Maturitätsarbeit «Die Wahrheit unter dem Rock», eine Arbeit über Georg Büchners Flugschrift «Der Hessische Landbote», auf die ich noch heute stolz bin.
Catherine Viaux war unsere Klassen- und Französischlehrerin. Da ich Französisch noch fast lieber als Deutsch hatte, verpasste ich fast keine Lektion, obwohl wir ja nur ein sehr reduziertes Absenzenwesen hatten und die Lektionen auf freiwilliger Basis besuchten. Legendär waren allerdings die jährlichen Klassen-Partys in Catherines Zuhause. An diesen Festen fehlte praktisch niemand, obwohl sie ausserhalb der Stadt und am Wochenende stattfanden. Das beste an Catherine ist, dass sie sich immer noch für uns interessiert! Ich treffe sie noch heute immer wieder zum Kaffee, und wir unterhalten uns natürlich «seulement en français» vor allem über das Leben, aber auch die Schule und das Unterrichten. Wenn es darum geht, Informationen über Zivilstand, Aufenthaltsort oder Sonstiges von ehemaligen Klassengspändli zu erfahren, ist Catherine eine sehr zuverlässige Informationsquelle. Als ich vor ein paar Jahren an ein Geburtstagsfest von einem ehemaligen Klassenkollegen am Bodensee ging, kreuzte ganz selbstverständlich auch Catherine auf. Wer sonst?