Gefragter denn je: Unterstützung für Schulangehörige in Krisen
Die 22 staatlichen Mittelschulen wurden zu ihrem Beratungsangebot für Schüler*innen, Lehrpersonen, Schulleitungen und Eltern in einer schwierigen Lage befragt. Fazit: Die bestehenden Angebote werden als gut bis sehr gut eingeschätzt. Es stehen jedoch zu wenige Ressourcen zur Verfügung und mehr Angebote sind gewünscht und nötig.
18. November 2020
«Die psychosozialen Probleme an Mittelschulen nehmen gemäss den Rückmeldungen aus den Schulen immer mehr zu. Diesbezügliche Beratungsangebote werden deshalb immer wichtiger», sagt Anita Klöti. Sie ist Beauftragte Mittelschulen des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes (MBA) des Kantons Zürich. Die am häufigsten genannten Probleme unter den Schüler*innen sind psychischer Art: Depressionen, Angststörungen, Suchtverhalten, wie Drogenkonsum oder Essstörungen, sowie (familiäre) Krisen und Mobbing. Tendenz steigend. Seit der Corona-Pandemie nehmen die Herausforderungen noch zu.
Diesen Herbst hat Anita Klöti gemeinsam mit Dagmar Müller, Bereichsleiterin Prävention und Sicherheit des MBA, eine Umfrage unter den 22 Mittelschulen gestartet. Befragt wurden die Schulleitungen zu folgenden Themen: Welche psychosozialen Beratungsangebote gibt es derzeit an den jeweiligen Schulen? Was läuft gut? Wo gibt es Bedarf für weitere Angebote für die Zielgruppen Schüler*innen, Lehrpersonen, Eltern und Schulleitungen? Und wo liegen die Herausforderungen? Ziel der Umfrage ist es, mithilfe dieser Antworten das Beratungsangebot an den Mittelschulen zu optimieren. Man orientiert sich dabei mitunter an der Volksschule, wo sich Schulsozialarbeit als Beratungsmodell im Alltag bereits etabliert hat, und sich jeweils direkt vor Ort im Schulhaus befindet.
Schulsozialarbeit: ein breites Aufgabenfeld
Zur Schulsozialarbeit gehören die vier Bereiche Beratung, Prävention, Intervention und die Vernetzung zu internen und externen Fachpersonen. Sie ist freiwillig, unabhängig, allparteilich und soll möglichst gut vernetzt und niederschwellig, sprich für alle leicht zugänglich, sein. Die Schulsozialarbeit kommt dann zum Zug, wenn ein*e Schüler*in gemobbt wird, wenn Eltern sich Sorgen um das Suchtverhalten ihres Kindes machen oder wenn Lehrpersonen oder die Schulleitung Herausforderungen mit Schüler*innen oder Klassen haben; sei es aufgrund von persönlichen, schulischen, sozialen oder psychischen Problemen (zusammengefasst unter dem Begriff «psychosozial»).
Die Schulsozialarbeit solle im Idealfall ebenso das Schulklima als Ganzes mitprägen, wie das offenbar an vielen Volksschulen spürbar sei, sagt Klöti. Sie führt aus: «Dafür ist ein Miteinander zwischen den Fachpersonen aus der Sozialarbeit, der Schulleitung, den Lehrpersonen und den jeweiligen Zielgruppen essenziell.» Die Schulsozialarbeit kann etwa dabei helfen, eine erste Situationseinschätzung vorzunehmen. Bei einem höheren Beratungsbedarf kann sie Lehrpersonen oder Schulleitungen bei der Gesprächsführung oder der Triage entlasten.
Jeder Schule ihre Art der Sozialarbeit
14 der 22 staatlichen Mittelschulen im Kanton Zürich haben sich an der oben genannten Umfrage beteiligt. Es zeigte sich, dass die Angebote je nach Mittelschule stark variieren. Herausgekommen ist auch: Die meisten können auf viele interne und auch externe Beratungsleistungen zählen, wobei die Anzahl interner Angebote etwas überwiegt. Die meisten Schulen bieten Beratung zu Nachteilsausgleichsmassnahmen. Damit kann sichergestellt werden, dass Schüler*innen mit Lerndefiziten fair beurteilt werden. An vielen Schulen gibt es zudem ein internes oder externes schulärztliches Beratungsangebot, Förderangebote zum Lerncoaching, Kontakte zu delegierten Lehrpersonen für das Thema Gesundheitsförderung sowie interne oder externe schulpsychologische Dienste.
«Die Umfrage hat ergeben, dass die meisten Schulen mit dem bestehenden Beratungsangebot an ihrem Arbeitsort zufrieden sind. Aufgaben der Schulsozialarbeit werden durch verschiedene Akteure, sei es durch externe Angebote, Lehrpersonen oder auch die Mittelschulfoyers, bereits wahrgenommen. Die Qualität der bestehenden Beratungsangebote wird als gut bis sehr gut eingestuft», erläutert Anita Klöti die Ergebnisse. Sei dies aufgrund von guter interner und externer Vernetzung oder externer Triage, dank welcher die schwierigen Fälle rasch weitergeleitet werden können. Tatsache ist aber auch, dass für externe psychosoziale Beratungsangebote in der Regel lange Wartezeiten bestehen.
Jeder Schule ihren Selbstfindungsprozess
Gemäss Klöti hat sich gezeigt: «Das bestehende Angebot ist zum Teil verzettelt und reicht nicht mehr aus. Die Schulleitungen wünschen sich deshalb zusätzliche Angebote und sie wünschen sich vor allem ein niederschwelliges Angebot, das vor Ort an den Schulen ist. Eine gut vernetzte Anlaufstelle, die rasch reagieren und triagieren kann. Das hat bisher noch keine Schule in dieser umfassenden Form.»
Genau diesem Bedürfnis der Schulen könnte mit dem Ansatz der Schulsozialarbeit an Mittelschulen entsprochen werden. Wie dies im Detail aussehen wird, sei aber noch unklar, sagt Klöti. «Wir stellen uns das als Beratungs-, Vermittlungs- und Drehscheibenfunktion vor.» Klar sei, dass man jede Schule individuell betrachten wolle. «Modelle und Strukturen, die bereits an Schulen gelebt werden und die sich aus Sicht der Schulen bewährt haben, will man weiterführen. Wir wollen gemeinsam neue Wege ergründen und die jeweilige Schulkultur mittragen.» Ziel sei die Entlastung von Lehrpersonen und der Schulleitung und die noch bessere Unterstützung der Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen, ergänzt Klöti.