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Trump im Klassenzimmer – ein Spiegel unserer Zeit

Der Name von Donald Trump, dem alten und neuen Präsidenten der USA, fällt häufig in Diskussionen im Klassenzimmer – und sorgt dort für hitzige Gespräche. Ein Schülerinnen-Beitrag von Leonie Müller.

3. März 2025

Die Meinungen zu Donald Trump sind polarisiert, und in einer Gesellschaft, die sich als demokratisch und offen versteht, überrascht es, wie viele Schüler*innen Sympathien für ihn zeigen. Der Geschlechtergraben ist dabei auffällig: Vor allem junge Männer äußern sich positiv über Trump, während Frauen seiner Politik und seiner Sprache eher kritisch gegenüberstehen.

Was sagt uns das über die politische Kultur und die Meinungsbildung in der Schule?

Trump: die autoritäre «starke Hand»

Trump ist längst mehr als nur ein politischer Akteur – er ist ein Symbol für Populismus, unkonventionelle Rhetorik und die Ablehnung politischer Korrektheit. Die Tatsache, dass auch ausserhalb der USA viele Sympathien für ihn hegen, zeigt, wie weitreichend seine Art der Politik wirkt. Dabei ist die Faszination, die Trump auf junge Männer ausübt, während der Diskussionen in den Schulzimmern greifbar. So manche Schüler fühlen sich von Trumps Gebaren angezogen. Was passiert, wenn eine Figur wie Trump im Klassenzimmer immer wieder zum Thema wird? Schüler sehen in Trump eine Art «starke Hand», eine Führungspersönlichkeit, die Entscheidungen trifft und Autorität ausstrahlt. Manchmal beschleicht einen das Gefühl, dass einige der Jungs sich das auch für das Schulzimmer wünschen.

Der Geschlechtergraben und seine gesellschaftlichen Wurzeln

Eine interessante, aber gleichzeitig besorgniserregende Beobachtung ist der Geschlechtergraben, der sich in der Einschätzung von Trump zeigt und grundlegende gesellschaftliche Fragen aufwirft: Warum wirkt Trump auf viele junge Männer attraktiv, während ihm die Mehrheit der Frauen kritisch gegenübersteht? Liegt dies an tief verankerten Rollenbildern, die bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und Werte betonen? Oder geht es womöglich gar nicht nur um Politik, sondern um die Sehnsucht nach klaren Strukturen und Führung?

In einer unserer letzten Klassendiskussionen wurde dies spürbar: Ein Mitschüler brachte überzeugt ein, Trump spreche «endlich mal klare Worte» und richte sich gegen das, was er als «scheinheilige Überkorrektheit» bezeichnete. Eine Mitschülerin antwortete darauf: «Aber Respekt für andere Positionen ist doch kein Zeichen von Schwäche.» Trump spricht viele Männer in ihrem Unbehagen gegenüber kulturellen Entwicklungen an. Sein Auftreten entspricht einem traditionell männlich konnotierten Ideal von Stärke und Dominanz – Attribute, die viele Jugendliche faszinieren können, die ihren Platz in der Welt noch suchen.

Trump als rebellierender Teenager?

Trumps Haltung wird oft als Anti-Etablissement wahrgenommen. Sie symbolisiert eine Rebellion gegen politische und gesellschaftliche Normen – eine Haltung, die in der Jugend häufig auf Resonanz stösst. Diese Dynamik zeigt sich nicht nur bei Trump, sondern auch in der Anziehungskraft anderer polarisierender Figuren wie Elon Musk oder Andrew Tate. Beide werden von jungen Menschen für ihre vermeintlich «unabhängige» Denkweise und ihr Auftreten als erfolgreiche Nonkonformisten bewundert. Dabei bleibt diese «Rebellion» oft an der Oberfläche. In Klassendiskussionen wird dies besonders deutlich, da Argumente häufig zugespitzt werden, um «Gegenstimmen» zu provozieren und sich gezielt von der Mehrheit abzugrenzen.

Trump wird so zum Symbol für die Ablehnung etablierter Normen, ohne dass echte Diskussionen angestossen werden. Für viele Schüler*innen bedeutet diese Art der Rebellion eine Möglichkeit, sich vom Schulalltag abzugrenzen, ohne dass differenzierte politische Positionen eingenommen werden. Diese Analyse zeigt, dass der Wunsch nach Abgrenzung in liberalen Gesellschaften zunehmend zu einer sozialen Fragmentierung führt und die Diskussion auf ein polarisierendes «wir und die» herunterbricht. Dieser Nonkonformismus bleibt somit oft inhaltlich leer und dient lediglich der Abgrenzung um der Abgrenzung willen.

Verlust der Meinungsvielfalt

Diskussionen über Trump fördern eine Lagerbildung, die differenzierte Diskussionen unterdrückt. Schüler*innen, die neutral bleiben, gelten oft als «unentschlossen», was den Meinungsaustausch unnötig polarisiert. Soziale Medien begünstigen diesen Effekt zusätzlich, da sie durch Algorithmen Inhalte bevorzugen, die starke Emotionen und Reaktionen hervorrufen. Polarisierende Beiträge erhalten mehr Aufmerksamkeit, während differenzierte oder neutrale Meinungen weniger Beachtung finden. Ein Beispiel zeigt, wie Meinungen zu politischen Themen nicht selten in extreme Lager geteilt werden: Wenn jemand auf Instagram oder Twitter vorsichtig formuliert, dass er oder sie Verständnis für beide Seiten eines kontroversen Themas hat, bekommt dieser Beitrag kaum Aufmerksamkeit.

Ein aggressiver Kommentar oder ein klarer Standpunkt «pro» oder «contra» hingegen wird schnell geliked und geteilt – die extreme Meinung erhält Reichweite, die differenzierte Meinung geht unter. Die Konsequenz ist ein Verlust der Meinungsvielfalt. Anstatt Grautöne zuzulassen, verstärkt die Dynamik die «Cancel-Culture» und bedroht so die Basis eines offenen Diskurses – auch in den Schulzimmern.

Trump im Klassenzimmer: Spiegelbild einer orientierungssuchenden Generation

Die Präsenz von Donald Trump im Klassenzimmer zeigt, wie tiefgreifend populistische und polarisierende Figuren auf das Denken und Diskutieren in jungen Köpfen wirken. Seine Figur bringt zwar politische Themen ins Gespräch, hat jedoch auch potenziell negative Effekte: Sie fördert autoritäres Denken, verstärkt geschlechterspezifische Vorurteile und kann den Austausch und die Meinungsvielfalt beeinträchtigen. Trump im Klassenzimmer ist ein Spiegel unserer Zeit – eine Zeit, in der komplexen Fragen mit einfachen Antworten begegnet wird.

Dieser Beitrag ist eine Zweitveröffentlichung. Der Text erschien zuerst in der KZO-Zeitung «KUSS».