Faszination Robotik
An der World Robot Olympiad messen sich die besten Schüler*innen regional, schweiz- und weltweit mit ihren selbst gebauten und selbst programmierten Robotern. Dieses Jahr ist wegen Corona vieles anders. Das tut der Motivation der Kanti-Schüler*innen der Kantonsschule Zürcher Oberland aber keinen Abbruch.
24. November 2020
Um 16.25 Uhr beginnen an der Kantonsschule Zürcher Oberland (KZO) am Freitagabend die Freifächer. Angehende Journalist*innen versammeln sich, um die nächste Schülerzeitung zu produzieren, ambitionierte Tänzer*innen üben an der Choreografie, die bis zur nächsten Aufführung sitzen muss, und im Provisorium am Wetziker Bahnhof, das der Schule für die nächsten zwei Jahre als Schulhaus dient, während der naturwissenschaftliche Spezialtrakt umgebaut wird, tüfteln gut fünfzehn Schüler*innen an den Aufgaben für die nächste World Robot Olympiad (WRO) und trainieren ihre Roboter so, dass diese die Aufgaben möglichst erfolgreich meistern.
Ein gewisses Talent scheinen die Wetziker Schüler*innen hierfür zu haben. Im Laufe der letzten zwölf Jahre haben sich unter der Leitung des Mathematiklehrers Stephan Looser eine Menge an Pokalen angesammelt, die sich nun in einem Regal neben der Tür befinden und nicht schlecht für Staunen sorgen. Mit Erfolgen an der World Robot Olympiad Schweiz und der First Lego League können sich etliche Teams der letzten Jahre rühmen. Letztes Jahr dann der grosse Erfolg: Das Seniorenteam bestehend aus den Schülern Nico Faesch, Aaron Griesser und Stephan König gewann am Weltfinale der WRO in Ungarn, für das sie sich mit einem Sieg an der Schweizer Austragung der WRO qualifiziert hatten, mit ihrem Roboter CTRL+C reloaded den dritten Platz.
Onlineaustragungen und Verschiebungen wegen Corona
Dabei ist Ungarn noch ein nahes Ziel. Für die Austragungen der Wettbewerbe sind die Teams schon an die verschiedensten Orte gereist: Costa Rica, die Philippinen, Mexiko oder Thailand, um ein paar zu nennen. Hätten die Teams dieses Jahr an der Schweizer Austragung gewonnen, so wäre es nach Kanada gegangen, doch machte das Coronavirus hier einen Strich durch die Rechnung. Das Weltfinale sowie die Schweizermeisterschaft wurden zugunsten einer Onlinealternative gestrichen und die Regionalmeisterschaft wurde um sechs Monate nach hinten verschoben.
Hierfür üben die Schüler*innen auch an diesem Freitagabend Ende Oktober. Gerade kam die Meldung herein, dass die regionale Austragung aufgrund steigender Fallzahlen nun online stattfinden würde. Alles in allem eine ungewohnte Situation, die sich laut Stephan Looser auch in der Motivation der Teams zeigt. «Für gewöhnlich werden die Aufgaben der WRO im Januar veröffentlicht, im Mai und Anfang Juni finden dann die Regionalwettbewerbe und die Schweizermeisterschaft statt. In dieser Zeit laufen die Arbeiten auf Hochtouren und die Motivation wird durch den Zeitdruck angetrieben. Dieses Jahr sind seit der Veröffentlichung der Aufgaben nun zehn Monate vergangen und so richtig ist immer noch nicht klar, worauf die Schüler*innen hinarbeiten. Lange Unterbrüche wie Ferien und Homeschooling haben dem Ganzen auch nicht geholfen.»
Im Arbeitszimmer der Robotik AG tüfteln die Schüler*innen jedoch noch immer an ihren Aufgaben, man sieht Roboter, die auf den Wettbewerbstischen umherfahren und allgemein herrscht ein reges Treiben. Während die einen Spass zu haben scheinen, ist mancherorts mehr von der mit dem Wettbewerb verbundenen Anspannung zu spüren. Zwei Mädchen eines Juniorenteams streiten sich darüber, ob der Roboter die richtige Strecke fährt und ob die neusten Änderungen Sinn machen oder nicht.
Logisches Denken, Mathematik und Physik vereint
Auf die Frage, wie sie die Robotik fänden, antworten sie, dass ihnen der mit dem Wettbewerb einhergehende Stress manchmal zu viel werde. Bei anderen sieht es da ganz anders aus. Nico Faesch behauptet, dass der Wettkampf für ihn stets auch einen gewissen Reiz ausgemacht habe. Für den Betreuer Stephan Looser wiederum geht es gar nicht ums Gewinnen. Zwar, sagt er, sei es sicher toll, Erfolge einheimsen zu dürfen, doch sollte es bei der Robotik nicht primär ums Gewinnen gehen. Vielmehr schätzt der Lehrer das Interdisziplinäre, das die Disziplin mit sich bringt. Es verlangt logisches Denken und Mathematikkenntnisse, man muss verstehen, wie die Physik funktioniert, man braucht mechanische Fähigkeiten und muss in der Lage sein, im Team zusammenzuarbeiten und das nötige Durchhaltevermögen aufzubringen. Den Sinn in der Robotik sieht der Lehrer im Lerneffekt. «Es ist mir wichtiger, dass die Jugendlichen verstehen, warum und wie der Roboter funktioniert, als dass ich ihnen einfach die Lösungen gebe. Dann gehen sie in einem Jahr vielleicht mit einer umständlicheren Lösung an den Wettbewerb, dafür verstehen sie es im nächsten Jahr umso besser.»
Robotik hat Zukunft
Das gewinnorientierte Verhalten der Robotikszene geht ihm vor allem in Fällen zu weit, bei denen man merkt, dass ein Grossteil der Arbeit von den erwachsenen Betreuungspersonen verrichtet wurde und nicht von den Kindern. Was Looser schätzen würde, seien schweizweit mehr kleinere Wettbewerbe. Zum Beispiel zwischen verschiedenen Kantonsschulen, an denen das Gewinnen weniger Raum einnimmt. Hierfür müssten jedoch viel mehr Mittelschulen überhaupt eine Möglichkeit anbieten, die den Lernenden die Robotik näherbringt, wofür es auch von Seiten der Lehrpersonen sehr viel Engagement bräuchte. Momentan, sagt der Mathelehrer, sei die Robotikszene der Schweiz zwar noch recht klein, doch seien Anlässe wie der 24-Stunden-Wettbewerb an der Kanti Chur, bei dem sich Schüler*innen ohne Vorkenntnisse anmelden und sich während zwei Tagen mit der Robotik auseinandersetzen können, ein Anlass, den sich andere Schulen laut Looser zum Vorbild machen könnten. Hier stehe tatsächlich die Robotik im Fokus. Mehr solcher Anlässe würde sich der Kantilehrer wünschen und er hofft sehr, hier in Zukunft Änderungen zu sehen.