Vom Gymnasiasten zum Jungpolitiker
Einst Schüler der Kantonssschule Zürcher Oberland, ist Benjamin Walder heute Medizinstudent, Kantonsrat, erfolgreicher Initiant der Fernwärme-Initiative und begeisterter Sportler. Ganz pragmatisch geht der Jungpolitiker an seine Aufgaben heran und meistert diese erfolgreich.
22. April 2021
Ohne Organisation, Koordination und Selbstdisziplin wäre Benjamin Walder nirgendwo. Der 22-jährige sportbegeisterte Jungpolitiker ist Medizinstudent im sechsten Semester, Zürcher Kantonsrat und Initiant der erfolgreichen Fernwärme-Initiative, deren Gegenvorschlag Ende 2020 von bahnbrechenden 86 Prozent der Wetziker Bevölkerung angenommen wurde. Zeit für viel anderes bleibt da nicht mehr, doch ihn stört das nicht, denn was er macht, macht er gerne und mit Leidenschaft.
Seine Begeisterung für die Politik begann schon in jungen Jahren. Walder kommt aus einer politischen Familie. Ein FDP-Gemeinderat und SP-Regierungsrat tummeln sich in seinen Reihen und während des Abendessens war Politik nicht selten ein Thema bei ihm zuhause. Während seiner Sekundarschulzeit begann er, sich aktiv mit Politik auseinanderzusetzen. Er verfasste eine Projektarbeit darüber, wie man eine Partei gründet und 2012 besuchte der damals 14-Jährige einen Vortrag des Grünen Balthasar Glättli. Walder kam mit ihm ins Gespräch und der Kontakt blieb bestehen. 2015 unterstützte er ihn unter anderem im Wahlkampf der Nationalratswahlen.
«Die Unesco-Freifächer fand ich besonders toll»
Abgesehen von seiner Projektarbeit, deren Thema er individuell wählte, findet der Medizinstudent, dass die politische Bildung an der Sekundarschule nicht thematisiert wurde. Dies änderte sich, als er 2015 an die Kantonsschule Zürcher Oberland wechselte, wo man sich etwas mehr mit der Politik auseinandersetze. Im Geschichtsunterricht lernte man Staatskunde und für jene, die sich besonders für Politik interessierten, gab es die Unesco-Freifächer, die unter anderem Podien mit Politiker*innen abhielten oder Projekte wie die Nachhaltigkeitsgruppe und Deutsch für Asylsuchende organisierten. «Die Freifächer im Rahmen der Unesco fand ich besonders toll, man konnte handeln und hatte somit auch im kleinen Rahmen die Möglichkeit, einen Beitrag zur Besserung zu leisten.» Im alltäglichen Unterricht, aber auch an der Mittelschule an sich, sei die politische Bildung seiner Meinung nach zu wenig ausgeprägt gewesen. «Es wäre sicherlich nicht schlecht, wenn vor allem vor Abstimmungen zum Beispiel im Geschichtsunterricht mehr kontradiktorische Gespräche geführt werden würden. Geschichtslehrpersonen dürfen bei diesen auch durchaus eine eigene Meinung vertreten, sie müssen diese einfach klar als solche auspreisen.»
Fernwärme-Initiative als Maturarbeit
Während seiner Zeit an der Kanti widmete sich Walder dann auch seinem ersten grossen politischen Projekt. Für seine Maturitätsarbeit lancierte er die Fernwärme-Initiative. Diese verlangt eine Versorgung der Stadt Wetzikon mit Fernwärme, insbesondere mit Energie aus der Kehrichtverbrennungsanlage Hinwil. «Ich wollte von Anfang an etwas machen, das nicht in der Schublade verschwindet. Wenn man schon die Möglichkeit hat, von so vielen Themen als Maturitätsarbeit eines auszuwählen, dann kann man doch etwas machen, das Veränderung und Besserung bringt. Schlussendlich hat es sich definitiv gelohnt.»
Die politische Initiative mit den schulischen Verpflichtungen einer Maturitätsarbeit zu verbinden war nicht immer leicht. «Ich engagiere mich gerne und wenn ich etwas mache, dann möchte ich es perfekt machen. Das mit den Abgabeterminen der Arbeit zu vereinbaren war nicht immer ganz einfach. Manchmal hatte man zudem einen schulischen Hänger, das gehört dazu, aber grundsätzlich bin ich nicht gerne untätig, was mich ein wenig gestresst hat.» Die Abgabe der Maturarbeit im Herbst 2017 fühlte sich für Walder denn auch etwas surreal an. «Die Initiative wurde erst gut ein halbes Jahr später im Frühjahr 2018 eingereicht und so fühlte es sich an, als würde ich etwas Unfertiges als Maturitätsarbeit abgeben.»
Wahl in den Gemeinderat
Noch während seiner Zeit an der Kantonsschule, auch im Frühling 2018, wurde Walder als Grüner in den Wetziker Gemeinderat gewählt. Dort politisierte er zwei Jahre als junger, aber sehr pragmatischer Politiker. Von jugendlichem Idealismus sei er nicht getrieben, viel wichtiger sei es ihm, kleine Verbesserungen für die Mehrheit zu erlangen, als über grosse, noch unrealistische Vorstellungen zu sinnieren. «Vielleicht hängt das damit zusammen, dass ich auf dem Land aufgewachsen bin und früh im Parlament war. Man sieht es auch bei den Jungen Grünen, dort gibt es zwei Flügel. Die Parlamentarier und die mit den grossen Vorstellungen, die aber genauso wichtig sind.» Radikalisierung sei wichtig, um Fortschritt voranzutreiben und die Anliegen der Bevölkerung klarzumachen. «Wo wären wir denn ohne Aktionen wie dem Klimastreik oder Menschen wie Greta Thunberg?», fragt Walder und betont, dass es sich bei dem so wichtigen Radikalismus von Ideen nicht um einen Radikalismus von Taten handle. «Wenn jemand zu Schaden kommt, dann hat Radikalität eine Grenze.» So würde durch Ideenradikalismus auf wichtige Anliegen hingewiesen werden und die Aufgabe des Parlaments liege darin, diese so in die Tat umzusetzen, dass sie mehrheitsfähig seien. «Im Herzen habe ich auch Visionen, aber mir ist es wichtiger, Mehrheiten zu schaffen und zu verhandeln.»
Ab in den Kantonsrat
Als Marionna Schlatter im Herbst 2019 in den Nationalrat gewählt wurde, zog Walder in den Zürcher Kantonsrat nach. Sein Amt im Gemeinderat legte er daraufhin im Sommer 2020 ab. Verbunden mit seinen anderen Verpflichtungen in seinem Medizinstudium, das er direkt nach Erlangen seiner Maturität im Jahr 2018 begann, und der Politik hätte dieses Amt das zeitlich Mögliche gesprengt. Auch die Fernwärme-Initiative hatte drei Jahre nach Einreichen der Maturitätsarbeit noch zu keinem Ende gefunden. Ganz im Gegenteil lief die Kampagne im Herbst 2020 auf Hochtouren, denn am 29. November ging es für die Wetziker Bevölkerung an die Urne. «Ende letzten Jahres verbrachte ich enorm viel Zeit mit der Initiative. Während der Kampagne kamen einige Stunden pro Woche zusammen.» Dies lohnte sich jedoch, denn die Initiative fuhr ein selten hohes Ergebnis von 86 Prozent Ja-Stimmen ein, was nur bestätigt, dass Walder nach Lösungen sucht, von denen alle profitieren können.
Danach war erst Mal ein wenig Ruhe in der Politik und er konnte den Fokus auf die Universität und die anstehenden Prüfungen legen. «Nach oben ist die Politik offen, was den Aufwand angeht. Was man jedoch wirklich machen muss, ist relativ überschaubar. Während der Lernphase kann ich nicht so viel machen, dafür in den Ferien umso mehr. Ich wurde schliesslich gewählt, um etwas zu machen.»
«Man kann das System durchaus nutzen»
Der Grüne ist gerne Kantonsrat. Obwohl er jung ist, fühlt er sich ernst genommen und findet die Stimmung angenehm. So auch die politische Situation in der Schweiz. «Ich bin grundsätzlich sehr froh, in der Schweiz zu leben. Wir haben ein relativ gutes System. Wenn wir uns einbringen wollen, können wir uns einbringen und auch wenn es meistens keine linksgrüne Mehrheit gibt, ist es ein gutes System, in dem man Dinge erreichen kann. Natürlich hat auch dieses System Tücken, die man Pflastern muss, aber diese hat jedes System.» Auch sonst hält sich der Jungpolitiker bei der Systemkritik zurück. «Ich bin ja selber Teil des Systems und man kann es durchaus auch nutzen und versuchen, in diesem Rahmen, Dinge zu ändern.»
So gefällt der Aufschwung grüner Parteien dem Jungen Grünen. Er fände es schön, wenn es sich ein wenig so weiterentwickeln würde, dennoch findet er, dass es Parteien wie die SVP unbedingt braucht, denn wer repräsentiere Herr und Frau Müller vom Lande denn besser? «Ein nur linkes und grünes Parlament fände ich auch nicht gut, es müssen alle Meinungen vertreten sein.» Er fügt an, dass man weder Linke noch Rechte zu früh als Extremisten bezeichnen sollte. «Am Schluss sind wir alle nur Menschen. Wenn man miteinander redet, sind die meisten in Ordnung und die restlichen fünfzehn Prozent Idioten findet man überall.»
Was noch kommt
Der junge Politiker wirkt durch und durch bodenständig und argumentiert extrem pragmatisch und rational. Wenn er etwas nicht weiss, gibt er dies ohne zu Zögern offen zu und verweist auf Expert*innen, die sich besser auskennen. «Alle Politiker*innen haben ihre paar Fachgebiete, auf die sie sich beschränken. Bei mir war das in den letzten Jahren vor allem die Fernwärme-Initiative.»
Ob er sein Leben lang politisch tätig bleiben möchte, weiss Walder noch nicht. «Das kommt auch darauf an, wohin mich mein Studium führt. Je nachdem habe ich dann einfach keine Zeit mehr. Ich bin sehr offen, für was auch immer kommen mag.» In nächster Zeit würde er sein Amt aber noch nicht niederlegen wollen und er freut sich auf weitere Erfahrungen, die er in der Politik sammeln kann.