«Ich habe etwas geschaffen, das die Leute brauchen können»
Pascal Gehring ist Schüler am MNG Rämibühl. Er hat im letzten Jahr eine eigene Mobile-App entwickelt. Im Gespräch erzählt er, wie er sich das Programmieren selber beigebracht hat und weshalb es ein Glück war, dass er vorher nicht wusste, was ihn erwartet.
5. März 2021
Pascal, wie kam es, dass du eine eigene Stundenplan-App entwickelt hast?
Alles fing damit an, dass ich das Intranet an unserer Schule als veraltet und umständlich empfand. Es stammt aus einer Zeit, in der sich die Schüler*innen noch am Desktop-Computer einloggten, um ihren Stundenplan anzuschauen. Das macht aber heute niemand mehr. Seit ich am MNG bin, wollte ich eine App entwickeln, die den Stundenplan in Echtzeit auf das Handy überträgt.
War das ein Projekt, das du im Rahmen des Unterrichts realisiert hast?
Nein, das Projekt erfolgte völlig losgelöst vom Schulunterricht. Ich hatte diese Idee und habe dann mit meinen Lehrpersonen darüber gesprochen. Sie waren anfänglich skeptisch, weil es ein grosser Aufwand ist und auch sicherheitstechnisch kritisch, denn es braucht Daten aus dem Intranet der Kantonsschulen. Mein früherer Informatiklehrer schlug vor, mit Dummy-Daten zu arbeiten.
Ich wollte aber nicht etwas machen, das niemand brauchen kann. Mein Ziel war nicht in erster Linie, eine App zu entwickeln, sondern etwas zu schaffen, das den Schüler*innen hilft und im Alltag angewendet wird.
Zuerst schreckten mich die Zweifel meiner Lehrpersonen ab, dann aber sagte ich mir, ich versuche es trotzdem.
Die App Schoolspace
Mit der App Schoolspace können Schüler*innen ihren Stundenplan aufs Handy laden und haben ihn so jederzeit verfügbar. Dank der Anbindung ans Intranet der kantonalen Mittelschulen wird der Stundenplan jederzeit aktuell angezeigt – inkl. Ausfälle, Verschiebungen und Lehrpersonenwechsel.
Die App ist für iPhone, iPad und Android-Smartphones verfügbar und kann kostenlos im App Store und bei Google Play heruntergeladen werden. Schoolspace wurde Anfang 2021 für das MNG Rämibühl veröffentlicht, weitere Schulen sollen folgen.
schoolspace.ch/download
Wie bist du vorgegangen?
Im Herbst 2019 habe ich mit dem Programmieren angefangen und mir die Grundlagen der App-Entwicklung beigebracht. Damals war mir nicht klar, was das für eine Reise wird, welche Probleme ich haben werde und was für ein Aufwand damit verbunden ist. Ehrlich gesagt: Hätte ich das vorher gewusst, ich hätte es wahrscheinlich nicht gemacht.
Den Lockdown im Frühling 2020 nutzte ich, um meine App voranzutreiben. Das war eine interessante Beschäftigung und ich konnte die Freiheiten, die uns die Schule damals gab, optimal nutzen.
Man denkt, eine App zu machen sei nicht so kompliziert, es sind jedoch sehr viele Dinge, die man berücksichtigen muss.
Bevor ich die erste Beta-Testversion veröffentlicht habe, bin ich zur Schulleitung gegangen und habe ihr erklärt, was ich vorhabe. Ich habe gefragt, wie das mit dem Datenschutz aussieht und ob ich diese App veröffentlichen darf. Die Schulleitung war dem Projekt gegenüber positiv eingestellt. Sie klärte die Fragen zum Datenschutz beim Kanton ab und bald bekam ich vom Mittelschul- und Berufsbildungsamt das OK, die App im ganzen Kanton zu veröffentlichen.
Von der ersten Zeile Code bis zum Release verging ein gutes Jahr. Da ist natürlich auch mein Lernprozess eingerechnet. Man denkt, eine App zu machen sei nicht so kompliziert, es sind jedoch sehr viele Dinge, die man berücksichtigen muss.
Wie hast du dir denn das nötige Wissen angeeignet?
Sehr viel Learning by Doing. Lesen, ausprobieren, aus Fehlern lernen. Im Internet findet man viele Informationen. Es ist aber bei weitem nicht so, dass man ein YouTube-Tutorial schaut und dann Experte ist. Es braucht sehr viel Einsatz, man muss sich richtig reinknien.
Ich habe lange nach einer Programmiersprache gesucht, die sich eignet für das Projekt. Ich wollte die App von Anfang an für iOS (Betriebssystem der Apple-Produkte, Anm. d. Red.) und Android entwickeln. Dann bin ich auf eine Programmiersprache gestossen, die das möglich macht.
Zudem habe ich immer wieder den Austausch gesucht, mit Gründern von Start-ups gesprochen, auf Instagram Fragen gestellt und so weiter. So habe ich auch jemanden gefunden, der das Logo für die App gestaltet hat.
Hast du die App ganz alleine erstellt oder hattest du Hilfe?
Die App habe ich alleine programmiert. Über Instagram kam ein ehemaliger Schulkollege aus der Sek, Lorenzo Bernasconi, auf mich zu und fragte, was ich eigentlich die ganze Zeit mache. Als ich ihm erzählte, dass ich eine App entwickle, wollte er spontan Teil davon sein. Jetzt arbeiten wir im Team. Mein Kollege lernt programmieren und ist für Marketing und Distribution zuständig. Mit der Gründung eines Start-ups könnten wir die Anwendung neuer Technologien im Schulalltag fördern. Das sind unsere Zukunftspläne.
Während der Entwicklung der App war ich drei Monate nicht in den sozialen Medien.
So eine App ist ja ziemlich zeitaufwändig. Wie schaffst du das neben der Schule?
Ich muss zugeben, dass es nicht immer einfach ist, die Balance zu halten. Momentan stecke ich mehr Energie in die App und habe schulisch zurückgefahren. Ich bin zum Glück kein schlechter Schüler, aber in einigen Fächern bin ich auf einen Vierer gefallen. Im Hinblick auf die Matura ist aber alles in Ordnung und mir ist bewusst, dass Schule und Studium wichtig für meine Zukunft sind.
Man muss diszipliniert sein und gut planen, um Freizeit, Schule und App zu organisieren. Während der Entwicklung der App war ich drei Monate nicht in den sozialen Medien. Da gewinnt man plötzlich sehr viel Zeit, denn diese Plattformen sind echte Zeitfresser.
Wie hat dein Umfeld auf dein Projekt reagiert?
Wir haben viel positives Feedback bekommen, E-Mails von Schüler*innen und Vorschläge für Features. Auch die Lehrerschaft hat vom Projekt wohlwollend Kenntnis genommen. Schlussendlich waren alle positiv unserem Projekt gegenüber eingestellt und haben uns auch unterstützt.
Meine Eltern sind sehr unterstützend. Es ist aber manchmal schwierig, ihnen und auch meinen Freunden verständlich zu machen, woran ich arbeite. Wenn man sich nicht auskennt in der Informatik, kann man oft nur schwer nachvollziehen, warum die einzelnen Schritte so viel Zeit in Anspruch nehmen.
Die App kommt bei den Nutzer*innen gut an. Im MNG haben bereits Hunderte von Leuten Schoolspace heruntergeladen. Täglich nutzen über hundert Schüler*innen die App. Unser Ziel ist, 50 Prozent aller Schüler*innen im Kanton Zürich zu erreichen.
Wie geht es denn jetzt weiter mit Schoolspace?
Wir entwickeln die App noch einmal ganz neu und gestalten sie so, dass sie mehr kann, als den Stundenplan anzuzeigen. Ich habe mich anfangs bewusst dafür entschieden, zuerst nur eine Sache zu machen und die dafür gut. Oft will man mit einer Software alle erreichen und zu viele Features einbauen. Das geht dann auf Kosten der User Experience. Das wollte ich unbedingt vermeiden.
Unsere Vision ist es, die Kommunikation zwischen Schule und Schüler*innen nachhaltig zu verbessern.
Nun bauen wir die App um und sind gleichzeitig daran, die anderen Rämibühl-Gymnasien einzubeziehen. Wir stehen in Kontakt mit den Schulleitungen und warten auf das OK, die App bekannt zu machen. Es liegt bereits eine Version vor für den Kanton Zürich, sodass in Zukunft alle öffentlichen Mittelschulen von Schoolspace profitieren können.
Unsere Vision ist es, die Kommunikation zwischen Schule und Schüler*innen nachhaltig zu verbessern. Heute tragen Schüler*innen nur noch Handys und Tablets auf sich, keine Laptops. Sie direkt dort zu erreichen, wo sie gerade sind, das ist unser Ziel. Wir wollen eine Plattform zur Verfügung stellen, die neben dem Stundenplan auch Absenzen, Prüfungen und Noten anzeigt – wir wollen das Intranet sinnvoll erweitern und auf eine neue Stufe anheben.
Hängt damit auch schon eine Planung der beruflichen Zukunft zusammen?
Ich würde später gerne Software Engineering an der ETH studieren. Die Entwicklung der eigenen App hat mich in diesem Wunsch bestätigt und mir gleichzeitig eine neue Sichtweise auf die Informatik ermöglicht. Ich habe gelernt, dass sich Informatik nicht nur auf das Bauen von Websites beschränkt, sondern ein breites Fachgebiet ist. Das fasziniert mich.
Ich spüre einen Unternehmergeist in mir und es faszinierte mich schon immer, etwas zu kreieren.
Im Hinterkopf habe ich auch die Gründung einer eigenen Firma. Eine App von A bis Z selber zu realisieren, ist sehr zeitintensiv. Ein grosser Teil ist die Programmierung, aber es stellen sich ebenso Fragen zum Design, Marketing und mittlerweile auch zu den Finanzen. Wenn wir über die Zukunft von Schoolspace nachdenken, dann realisieren wir, dass dies für zwei Personen zu viel wird. Deshalb möchten wir das Team aufstocken und auch eine Lösung finden, wie wir das Projekt finanzieren können.
Momentan ist Schoolspace gratis und wir wollen auch in Zukunft den Schüler*innen diese Dienstleistung kostenlos anbieten. Als Schüler wissen wir ja selber, dass jeder Rappen wertvoll ist. Wir werden auf die Verantwortlichen zugehen und ihnen erklären, welchen Mehrwert unsere Arbeit für die Schule hat.
Ich spüre einen Unternehmergeist in mir und es faszinierte mich schon immer, etwas zu kreieren. Es freut mich mega, wenn ich sehe, wie Schüler*innen Schoolspace nutzen. Wir haben etwas gemacht, das die Leute brauchen können. Das zu erleben, ist eine unglaubliche Befriedigung.
Zur Person
Pascal Gehring besucht die 3. Klasse des Kurzzeitgymnasiums am MNG Rämibühl. In seiner Ausbildung liegt der Fokus auf den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, Informatikunterricht hatte er lediglich ein Jahr.