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3 Fragen – 3 Antworten

Vor kurzem ist die erste virtuelle Ausstellung ausgezeichneter Maturitätsarbeiten zu Ende gegangen. Für einmal präsentierten die Maturand*innen ihre Arbeiten nicht an Uni, ETH oder PHZH, sondern auf der Website www.maturitaetsarbeiten.ch. 54 Werke waren zu bestaunen – fünf von ihnen erhielten den Spezialpreis der Jury. Im Folgenden nehmen die Hauptpreisträger*innen Stellung.

9. Juni 2020

Die Ausstellung ausgezeichneter Maturitätsarbeiten 2020 war eine Entdeckungsreise der besonderen Art. Sie hat gezeigt, was Zürcher Gymnasien leisten und wozu ihre Maturand*innen fähig sind. Diese haben einmal mehr geliefert – und das Publikum tief beeindruckt. Zum Schluss wurden die fünf Sonderpreise der Jury verliehen. Sie gingen an folgende Maturand*innen:

Die fünf Hauptpreisträger*innen im Interview

Mit der Maturitätsarbeit haben Sie Ihre erste grosse selbstständige Arbeit verfasst. Was hat Ihnen dies gebracht, und was haben Sie dabei gelernt?
 

Julia Bassili: Abgesehen vom fachlichen Wissen, das ich durch meine Recherchen erwerben konnte, arbeitete ich im Rahmen dieser Arbeit zum ersten Mal im Labor und führte Experimente mit teils pathogenen Mikroorganismen und antibiotischen Wirkstoffen durch. Vor allem im Labor lernte ich, unter grossem Zeitdruck sehr präzise zu arbeiten und kam dem wissenschaftlichen praktischen Arbeiten näher. Natürlich lehrte mich diese Arbeit auch das selbstständige Organisieren und Planen (v. a. auch die Experimentplanung) und wie wichtig es ist, Initiative zu ergreifen und beharrlich nach wissenschaftlichen Erklärungen und Lösungen zu suchen. Was mir vorher nicht bewusst war, ist, wie vieler Revisionen eine solche Arbeit bedarf!

Etienne Eisele: Die Maturitätsarbeit bot mir die Möglichkeit, mich selbstständig auf ein Thema meines Interessenfeldes zu fokussieren, dabei zu forschen und zu experimentieren. Ich habe die Erfahrung gemacht, ein Team von Schauspieler*innen zu leiten und dabei ein Theaterstück vom Skript bis hin zur Aufführung konzeptuell zu entwickeln. Durch meine theoretische Ergänzung wurde mir erneut bewusst, was es bedeutet, Wissen weiterzuführen und in weitere Kontexte zu stellen und wie wichtig es für uns ist, Arbeiten und Bücher zu schreiben und zu lesen.

Ali Gottschall: Neben dem neuen Wissen habe ich einiges über die Strukturierung eines solchen Projektes gelernt. Über Monate an einem Thema dranzubleiben verlangt eine gesunde Selbstdisziplin und Organisation. Dabei ist vor allem von Vorteil, eine intrinsische Motivation zu haben.

Seyid Hussein Husseini: Mit dem Verfassen meiner Maturitätsarbeit (eine Erzählung über meine Flucht) habe ich gelernt, wie ähnlich meine Geschichte mit anderen ist. Ausserdem brachte mir diese selbstständige lange Arbeit bei, wie ich mir die Zeit einteilen muss und strukturiert arbeiten kann. Ich besprach meine Arbeit auch mit einem professionellen Schriftsteller. Von ihm habe ich gelernt, wie ich eine Erzählung für Leser*innen spannend gestalten konnte. Schliesslich habe ich festgestellt, dass nicht alle über die Situation der Flüchtlinge in der Schweiz, wie ich sie darstellte, Bescheid wussten. Meine Erzählung gab den Menschen eine neue Perspektive und den Flüchtlingen eine Hoffnung.  

Julian Weber: Eine Maturaarbeit kombiniert vieles, was einem im Gymnasium beigebracht wurde. Einerseits, die fachliche Methodik und andererseits, die formelle Methodik wurden einem gelehrt und in einer Arbeit wie dieser müssen diese zwei Komponenten zusammengeführt werden. Zuerst ist es sehr ungewohnt, so viel Spielraum in einer Aufgabe zu haben, da viel Eigenverantwortung und Selbstdisziplin gefordert werden. Konkret gelernt bei der Arbeit habe ich, neben dem Fachlichen, wie eine solche Arbeit anzugehen ist.

Ihre Arbeit wurde von Impuls Mittelschule ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung, und was versprechen Sie sich davon?
 

Julia Bassili: Diese Auszeichnung bedeutet mir unglaublich viel, weil es meinen grossen Aufwand anerkennt. Vor allem die Experimente im Labor während der Sommerferien waren extrem arbeits- und zeitintensiv, denn ich arbeitete von frühmorgens bis spätabends. Als ich dann nach Hause kam, wertete ich noch die Rohdaten aus und verfasste Berichte. Dabei habe ich jedoch unglaublich viel gelernt. Ich erhoffe mir, dass ich weiter auf die Problematik von Multiresistenzen und der drohenden Post-Antibiotika-Ära aufmerksam machen kann. Dies sind Themen, die zwar hochaktuell und dringlich sind, doch leider immer wieder in Vergessenheit geraten. Wenn meine Arbeit einen kleinen Beitrag zur Anerkennung des Potenzials von ätherischen Ölen als antibiotische Substanzen leisten kann, bin ich überglücklich. 

Etienne Eisele: Ich freue mich sehr, dass die Jury meine Arbeit würdigt und anerkennt. Der Preis stellt definitiv einen Ansporn für weitere Arbeiten und Projekte im Bereich der Künste dar. Er schliesst meine Schullaufbahn erfolgreich ab und lässt mich gespannt in meine Zukunft treten.

Ali Gottschall: Die Anerkennung meiner mathematischen Arbeit freut mich sehr. Auf dem Lebenslauf macht sich die Auszeichnung bestimmt gut, aber ich erwarte nicht, dass sie mir automatisch neue Türen öffnet.

Seyid Hussein Husseini: Diese Auszeichnung bedeutet mir, dass andere meine Geschichte hören wollen, und dass sie auch bedeutungsvoll ist für Menschen, die einen ganz anderen Hintergrund haben. Mein Ziel, die Menschen über das Leben der Flüchtlinge zu informieren, betrachte ich als gelungen. Es motiviert mich, einen zweiten Teil der Erzählung zu verfassen. 

Julian Weber: Es ist ein sehr spezielles Gefühl, erfahren zu haben, dass meine Maturaarbeit einen Preis gewonnen hat und diese Auszeichnung stellt für mich eine Errungenschaft dar, die mich für den grossen Aufwand belohnt, den ich für eine solche Arbeit aufgewendet habe.

Haben das Verfassen der Maturitätsarbeit und die Wahl des Themas einen Einfluss auf Ihre Studienrichtung und den geplanten beruflichen Werdegang?
 

Julia Bassili: Bei mir war es eher anders herum: Weil ich mich schon seit langem für ein Medizinstudium entschieden hatte, wollte ich unbedingt eine (praktische) naturwissenschaftliche Arbeit verfassen. Die Maturitätsarbeit hat dann meine Leidenschaft für die Naturwissenschaften nochmals verstärkt und mir das Arbeiten im Labor schmackhaft gemacht, sodass ich mir auch gut vorstellen könnte, später in der (bio)medizinischen Forschung zu arbeiten. Während meines Zwischenjahres suche ich nun auch eine Praktikumsstelle in einem Labor.

Etienne Eisele: Mein Studienwunsch liegt sicher im Bereich der Kunst. Im Moment plane ich Theaterregie zu studieren. Meine Maturitätsarbeit war unter anderem auch ein erster Versuch, ein eigenes Stück zu konzipieren. Die spartenübergreifende Arbeit im Theater sowie das Einbringen anderer Kunstformen, wie Video und Performance, sind Arbeitsweisen, die ich auch in Zukunft nicht missen will.

Ali Gottschall: Mit der Arbeit habe ich zwei meiner Leidenschaften, die Mathematik und die Informatik, vereinigt. Das Verfassen bestätigte, dass ich gerne so arbeitete. In welche Richtung es mich zuerst verschlägt, ist nicht ganz sicher. Das Schöne daran ist, dass sich die beiden Wissenschaften ausgezeichnet ergänzen und man keiner ganz den Rücken kehren muss.

Seyid Hussein Husseini: Das Verfassen meiner Maturitätsarbeit hat keinen Einfluss auf meine Studienrichtung. Jedoch bereitet es mir eine grosse Freude, Erzählungen und Kurzgeschichten zu schreiben. Diese Leidenschaft werde ich neben mein Studium weiterverfolgen. Deshalb werde ich mein Buch mithilfe eines Verlags veröffentlichen. Nach der erfolgreichen Herausgabe des Buchs werde ich dann eine Kurzgeschichtensammlung verfassen. 

Julian Weber: Ich habe mir sowohl das Thema der Maturaarbeit, als auch die Studienrichtung nach meinen Interessen gewählt. Ich würde nicht sagen, dass die Arbeit meine Studienwahl massgeblich beeinflusste, sondern sie unterstrich nur meine schon bekannten Interessen. Es hatte demnach insofern einen Einfluss auf meinen Werdegang, dass ich meine Interessen noch genauer bestimmen konnte, was wiederum die Studienwahl besser rechtfertigte.